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Neue EU-Verordnung zum Einsatz von rezyklierten Kunststoffen mit Lebensmittelkontakt

Patrick Semadeni

Am 10. Oktober 2022 tritt eine neue ►Verordnung für den Einsatz von rezyklierten Kunststoffen mit Lebensmittelkontakt in Kraft. Die neue Verordnung löst die bisherige Verordnung (EG) Nr. 282/2008 ab. Hier das Wichtigste in Kürze.

Die bisherige Verordnung war unwirksam

Nach der bisherigen Verordnung war die EU-Kommission dafür zuständig, Recyclingverfahren zur Herstellung von Rezyklaten mit Lebensmittelkontakt zuzulassen. Trotz über 270 Anträgen, die allesamt von der EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) als sicher beurteilt wurden, hat die Kommission kein einziges Verfahren zugelassen. Damit oblag es den nationalen Behörden, Zulassungen auszusprechen.

Die neue Verordnung kommt

Am 10. Oktober 2022 tritt die Verordnung (EU) Nr. 2022/1616 über Materialien und Gegenstände aus recyceltem Kunststoff, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen, in Kraft. Sie löst die bisherige Verordnung ab. Wie die Vorgängerverordnung stützt sich auch die neue Verordnung auf die übergeordnete Verordnung (EG) Nr. 1935/2004 über Materialien und Gegenstände, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen. Die Anforderungen aus Art. 3 dieser Verordnung gilt auch für Materialien und Gegenstände aus rezykliertem Kunststoff:

  • Sie dürfen die menschliche Gesundheit nicht gefährden
  • Keine unvertretbare Veränderung der Zusammensetzung von Lebensmitteln herbeiführen
  • Keine organoleptischen Eigenschaften der Lebensmittel beeinträchtigen.

Vgl. dazu Art. 3 (1) der neuen Verordnung, die das ebenfalls nochmals festlegt.

Was sind geeignete Recyclingtechnologien?

Die neue Verordnung legt im Anhang I [Art. 3 (3)] fest, welche Recyclingverfahren als geeignet gelten:

  • Mechanisches Recycling von Post-Consumer-PET Abfällen
  • Recycling von Abfällen aus geschlossenen und überwachten Produktkreisläufen

Für diese Verfahren gelten umfangreiche Anforderungen, die einzuhalten sind. Für das mechanische PET-Recycling gilt, dass jedes System einzeln zugelassen werden muss.

Alle anderen Verfahren fallen entweder nicht unter diese Richtlinie – so beispielsweises das chemische Recycling – oder sie gelten als sogenannte «novel technologies».

Gilt die Verordnung auch für Post-Industrial Abfälle?

Ja. Dabei müssen die PIR-Abfälle jedoch einem Recyclingsystem zugeführt werden (kann auch inhouse sein) und alle Anforderungen an ein Recyclingsystem erfüllen [Art. 9]. Dazu gehören beispielsweise Kennzeichnungs- und Registrierungspflichten, und das System muss sich an der guten Herstellungspraxis gemäss Verordnung (EG) 2023/2006 orientieren.

Nebenprodukte hingegen, welche zusätzlich zum Produkt entstehen, wie beispielsweise Angüsse oder abgeschlagene Butzen, können ohne weiteres wieder zur Herstellung von Produkten mit Lebensmittelkontakt verwendet werden, sofern sie die Anforderungen der Verordnung (EU) 10/2011 über Materialien und Gegenstände aus Kunststoff, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen, erfüllen.

Was ist mit dem chemischen Recycling?

Grundsätzlich gilt die neue Verordnung auch für das chemische Recycling. Jedoch gibt es eine Ausnahme: Das chemische Recycling fällt nicht unter die neue Verordnung, wenn aus dem Prozess Stoffe mit hohem Reinheitsgrad entstehen, welche in der Unionsliste der Verordnung (EU) Nr. 10/2011 als zugelassene Stoffe aufgeführt sind. Aus dem chemischen Recycling gewonnene Monomere fallen also nicht unter die neue Verordnung.

Dürfen funktionelle Barrieren eingesetzt werden?

Neu fällt der Einsatz von Rezyklaten hinter einer funktionellen Barriere unter die Verordnung. Obwohl im Markt zahlreiche Anwendungen zu finden sind, gilt diese Technologie nicht als geeignete Technologie, sondern als «novel technology». Jedoch ermöglicht die Verordnung ein vereinfachtes Zulassungsverfahren, indem Sondervorschriften für diese Technologie in bestehenden Anwendungen vorgesehen werden (Erwägungsgrund 33).

Aufwendige Verfahren bei neuen Technologien

Jede nicht als «geeignet» eingestufte Recyclingtechnologie gilt als neue Technologie. Dazu müssen Betreiber solcher Technologien umfangreiche Melde-, Registrierungs- und Informationspflichten erfüllen. Dies erfordert die Erhebung einer Vielzahl von Daten, mit ungewissem Ausgang bezüglich späterer Zulassung. Einzelheiten dazu werden in den Art. 10-15 festgelegt.

Viele Pflichten entlang der Wertschöpfungskette – auch Abfallwirtschaft betroffen

Die Recyclingwirtschaft wird umfangreichen Vorschriften hinsichtlich Dokumentation, Anweisungen und Kennzeichnung [Art. 5] und Registrierung [Art. 25] unterworfen.

Art. 6 der neuen Verordnung regelt die Anforderungen an die Sammlung und Vorbehandlung. Für das Recycling zu Materialien und Gegenständen mit Lebensmittelkontakt dürfen nur Abfälle verwendet werden, welche die Anforderungen der Verordnung (EU) Nr. 10/2011 erfüllen. Hinsichtlich der Sammlung wird eine getrennte Sammlung verlangt [Art. 6 (1) Bst. c]. Bei Sammlung mit anderen Verpackungsabfallfraktionen kann trotzdem von einer getrennten Sammlung ausgegangen werden, wenn die zahlreichen Anforderungen gemäss Art. 6 (2) erfüllt sind. Beispielsweise dürfen in der Fraktion keine gefährlichen Abfälle sein, oder die Kontamination bei der Sammlung und Sortierung muss minimiert werden.

Übergangsbestimmungen: Darf rPET noch für Lebensmittelkontakt eingesetzt werden?

Ja. Rezyklate die mittels geeigneten Recyclingtechnologien mit Einzelzulassung hergestellt wurden, dürfen weiterhin verwendet werden, sofern ein gültiger Zulassungsantrag nach altem Recht vorliegt, oder sofern bis zum 10. Juli 2023 ein Zulassungsantrag gestellt wird.

Bringen die neuen Regelungen die Kreislaufwirtschaft weiter?

Positiv zu vermerken ist, dass sich beim PET-Recycling nicht viel ändert, da die bestehenden Zulassungsanträge auch als Anträge unter neuem Recht gelten und das Material weiterhin im Lebensmittelkontakt verwendet werden kann. Jedoch nimmt der bürokratische Aufwand zu.

Kritischer zu bewerten sind die umfangreichen und komplexen Anforderungen an die verschiedenen Akteure der Wertschöpfungskette. Diese einzuhalten wird eine grosse Herausforderung sein.

Was die neuen Technologien betrifft, stellt die neue Verordnung hohe Hürden auf. Hier bleibt abzuwarten, ob Akteure gewillt sind, hohe Investitionen zu tätigen, gleichzeitig die umfangreichen Informations- und Überwachungspflichten wahrzunehmen, und das alles bei ungewissem Ausgang eines späteren – bis zu sieben Jahren späteren - Zulassungsverfahrens. Dies gilt auch für bereits bestehende Anlagen, welche Produkte mit Rezyklaten hinter funktionellen Barrieren herstellen.