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«Weniger Kehrichtverbrennung, mehr Recycling» – Bericht des Bundesrates vom 29. März 2023

Patrick Semadeni

In Erfüllung eines Postulats der Alt-Nationalrätin Isabelle Chevalley, das mehr Recycling fordert, hat sich der Bundesrat mit der Frage der vermehrten stofflichen Verwertung von brennbaren Abfällen befasst.

Die KVA entsprechen dem Stand der Technik

Der Bundesrat hält zunächst fest, dass alle 29 Kehrichtverbrennungsanlagen (KVA) der Schweiz dem Stand der Technik entsprechen und dass die Emissionen von Schadstoffen im Vergleich zu den gesamten Emissionen aus Industrie, Verkehr und Haushalten nur von untergeordneter Bedeutung sind. Weiter stellt der Bundesrat fest, dass die KVA die Entsorgungssicherheit gewährleisten müssen.

Insgesamt fallen in der Schweiz pro Jahr 87 Millionen Tonnen Abfälle an, davon allein 54 Millionen Tonnen aus sauberem Aushub und 75.5 Millionen Tonnen aus Bauabfällen, meist anorganisch-mineralischer Zusammensetzung. In den KVAs wurden 2020 4.07 Millionen Tonnen brennbare Abfälle thermisch behandelt. Dabei wurden 2.1 Millionen Tonnen CO2 Emissionen freigesetzt, fast ausschliesslich aus der Verbrennung von Kunststoffen.

Bedeutung von Recycling

Durch vermehrtes Kunststoffrecycling ist es prinzipiell möglich – so der Bericht – den Ausstoss von fossilem CO2 aus KVAs zu verringern. Das Potenzial wird im Bereich des Siedlungsabfalls auf 285.000 Tonnen CO2-Einsparung pro Jahr beziffert, basierend auf einem realistischen Sammelpotenzial von 112'000 Tonnen Kunststoffverpackungen pro Jahr.

Auch angesichts der in Zukunft kleiner werdenden KVA-Kapazitäten spielt das Recycling laut Bericht eine wichtige Rolle: «Daraus ergibt sich, dass Massnahmen zur Abfallvermeidung und zum verstärkten Recycling (…) von grösster Wichtigkeit sind.» Aktuell werden in der Schweiz nur 9% des Schweizer Kunststoffabfalls recycelt, vorwiegend aus dem Verpackungsbereich.

Schliesslich fordert auch die Motion Dobler (Motion 20.3695 «Förderung der Kreislaufwirtschaft. Die Schweiz soll mehr Plastik rezyklieren.») Massnahmen in diese Richtung.

Ökologischer Nutzen muss vorhanden sein

Der Bericht hält fest, dass hinsichtlich stofflicher Verwertung eine Abwägung von ökologischem Gewinn versus ökologischer Belastung getroffen werden muss.

Einen ökologischen Gewinn sieht der Bundesrat vor allem in der Substitution von Primärmaterial mit Sekundärmaterial, stellt aber gleichzeitig fest: «Von der Umweltbelastung, die durch den gesamtschweizerischen Konsum entsteht, werden rund 75% im Ausland verursacht».

Bei den ökologischen Belastungen nennt der Bericht Ressourcen- und Energiebedarf sowie Emissionen und Reststoffe aus dem Recyclingprozess.

Verschiedene separat gesammelte Fraktionen – bei Kunststoffen die PET Getränkeflaschen – erreichen heute schon sehr hohe Verwertungsquoten. Diese Separatsammlungen geniessen – so der Bericht – in der Schweiz eine hohe Akzeptanz. Gemischte Sammlungen hingegen führen laut Bundesrat zu erhöhten Systemkosten und höheren Ausschussquoten.

Der Bundesrat spricht sich aus diesen Erwägungen heraus für eine optimale, nicht für eine maximale Verwertungsquote aus.

Optimierungspotenziale im Kunststoffrecycling

Kunststoffabfälle betragen 13 Gewichtsprozente des Schweizerischen Kehrichts aus Privathaushalten. Rechnet man die Verbundverpackungen dazu, kommen weitere 18.5 Gewichtsprozente dazu. Der Bundesrat: «Ein grosser Teil dieser Produkte und Verpackungen ist kurzlebig. Daher spielen vor allem die Abfallvermeidung (z.B. durch Mehrwegsysteme), das Ökodesign sowie das Recycling von Kunststoffen eine grosse Rolle.»

Hinsichtlich der Mehrwegprodukte warnt aber der Bericht: «Wichtig zudem, die Ökoeffizienz von Mehrwegsystemen zu untersuchen, da bei Mehrwegsystemen die Nutzungsphase viel stärker ins Gewicht fällt als die Herstellung oder die Entsorgung. Deshalb sind Faktoren wie die Anzahl der Verwendungszyklen, die Abwaschtemperatur oder der -maschinentyp entscheidend für den ökologischen Nutzen von Mehrwegsystemen.»

Als Hindernis für mehr Recycling sieht der Bericht die Materialvielfalt und die fehlende Information über die enthaltenen Additive. Das beeinflusst auch die Qualität des Rezyklats, das oft nicht mehr die gleiche Qualität wie das Primärmaterial habe, führt der Bericht aus.

Infrastrukturen fehlen in der Schweiz

Zurzeit werden gemäss Bericht die in der Schweiz gemischt gesammelten Kunststoffe in ausländische Sortieranlagen exportiert, da die Sammelmengen einen wirtschaftlichen Betrieb von Schweizer Sortieranlagen nicht ermöglichen. Demgegenüber sind die Kosten einer thermischen Verwertung in der Schweiz verhältnismässig gering. Jedoch haben beispielsweise die fünf KVA, die zur «Zürcher Abfallverwertungs AG» gehören, seit Anfang 2021 keine Lieferungen von reinen, verwertbaren Kunststoffabfällen entgegengenommen. Andere KVA verlangen prohibitiv hohe Verbrennungspreise für die Verwertung von Kunststofffraktionen.

Die Schweizer Wirtschaft ist aktiv

Der Bericht erläutert auch die in der Schweiz hängigen und geplanten Initiativen der Wirtschaft, wie sie von der Drehscheibe Kreislaufwirtschaft, Swiss Recycling, dem Verein Prisma Innovation sowie Redilo bestehen. Diese drei Akteure haben sich im Projekt ► Sammlung 2025 zum Aufbau eines nationalen Sammelsystems für Kunststoffverpackungen und Getränkekartons zusammen geschlossen. Bei den Infrastrukturinvestitionen erwähnt der Bericht das Projekt vom Kunststoffpark Schweiz in Altdorf. Schliesslich findet das von KUNSTSTOFF.swiss initiierte Projekt ►ERDE zur Sammlung von landwirtschaftlichen Folien Erwähnung im Bericht.

Lockerung des Abfallmonopols?

Derzeit besteht in der Schweiz ein staatliches Entsorgungsmonopol für Siedlungsabfälle, dessen Träger die Kantone sind. In der Regel delegieren die Kantone diese Aufgaben an Gemeinden oder andere öffentlich-rechtliche Körperschaften. Dieses Abfallmonopol wird gemäss Bericht aber nicht einheitlich angewendet, in den verschiedenen Gemeinden kommen unterschiedliche Praktiken vor. Das Abfallmonopol soll – so der Bundesrat – einen reibungslosen Entsorgungsbetrieb gewährleisten und den KVA-Betreibern finanzielle Sicherheit durch Planbarkeit der Abfallmengen geben.

Im Zug der Parlamentarischen Initiative 20.433 fordert die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrats (UREK-N) eine Lockerung des Abfallmonopols. Dieser Haltung kann sich der Bundesrat grundsätzlich anschliessen, er plädiert aber für klare Rahmenbedingungen, damit das aktuell gut funktionierende Abfallmanagement in der Schweiz erhalten und weiterentwickelt wird.

Bewertung von KUNSTSTOFF.swiss

Der Verband KUNSTSTOFF.swiss setzt sich für eine ambitionierte Kreislaufwirtschaft ein. Dazu gehören auch ambitionierte Recyclingziele. Diese Haltung wird auch von unseren europäischen Partnerverbänden geteilt.

Dies bedingt einen Ausbau der Sammlung von Kunststoffabfällen zum anschliessenden Recycling. Genau so wie die KVA, ist auch die Wirtschaft angesichts der hohen Investitionen in eine entsprechende Infrastruktur (Sortier- und Waschanlagen, Extruder etc.) auf Planungssicherheit angewiesen. Diese ist aber nur gegeben, wenn sehr rasch geklärt wird, welche Fraktionen künftig gesammelt werden dürfen. Der einfachste und schnellste Weg ist es, der Sammlung 2025 zu Erfolg zu verhelfen. Die Liberalisierung des Abfallmonopols, wie sie auch die Kommissionsmehrheit der UREK-N fordert, ist eine Grundvoraussetzung dafür.

Daher unterstützt KUNSTSTOFF.swiss den Antrag der Kommissionsmehrheit, das Abfallmonopol zu lockern, um den Weg für eine nationale, koordinierte Sammlung zu öffnen.

Bericht des Bundesrates: Weniger Kehrichtverbrennung, mehr Recycling