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Stellungnahme zur EU-Altautoverordnung

Stellungnahme von KUNSTSTOFF.swiss zur vorgeschlagenen Verordnung über Anforderungen an die kreislauforientierte Konstruktion von Fahrzeugen und über die Entsorgung von Altfahrzeugen [COM(2023) 451 final].

1. Einleitung

KUNSTSTOFF.swiss ist der Verband der Schweizerischen Kunststoffindustrie und vertritt knapp 800 Unternehmen, die mit 34'000 Mitarbeitenden rund 18 Milliarden Schweizer Franken Umsatz erzielen (2022).

2. Committment zur Kreislaufwirtschaft

Wir stehen für die Etablierung der Kreislaufwirtschaft ein, die darauf abzielt, Material effizient einzusetzen und Produkte sowie Materialien im Kreislauf zu halten. Dazu gehört auch der Einsatz von Rezyklaten in Produkten.

3. Bedeutung der Automobilindustrie

Die Automobilindustrie als wichtiger europäischer Industrie- und Wirtschaftszweig trägt im besonderen Mass zur Transformation der Kunststoffindustrie, als Teil ihrer Zulieferindustrie, zu mehr Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft bei. Zahlreiche Schweizer Kunststoffverarbeiter zählen zur Zulieferindustrie.

4. Kunststoffe unumgänglich im Automobilbau

Lediglich 9 Prozent der Kunststoffe gehen in Fahrzeuganwendungen. Dabei werden vielfältige unterschiedliche und spezialisierte Kunststoffe aus rund 40 Kunststoff- und Polymerarten eingesetzt, die u.a. Kabel isolieren, Oberflächen antibakteriell ausrüsten, Insassen bei Unfällen beschützen, sowohl bei hohen als auch tiefen Temperaturen ihre Funktion erfüllen und sicherstellen, dass die moderne Mobilität für Insassen sicher und komfortabel ist.

5. Beitrag zum Klimaschutz

Klimaschädliche Emissionen während der Fahrzeugnutzung werden durch den Einsatz von Kunststoffen als einen der wichtigsten Leichtbauwerkstoffe reduziert. Somit tragen Kunststoffe in den modernen Mobilitätsanwendungen nicht nur zur Stärkung der Nachhaltigkeit und des Umweltschutzes, sondern auch zur positiven Entwicklung des Wirtschaftsstandorts “Europa” entscheidend bei.

6. Funktionsvielfalt führt zu Materialvielfalt

Die heute in Fahrzeugen eingesetzten über 100 Kunststoffsorten verteilen sich auf durchschnittlich 200 kg Kunststoff je Fahrzeug. Rund die Hälfte des Kunststoffgewichts verteilt sich dabei auf vier Standardmaterialien (PE, PP, PVC, PET), wie sie auch in grossen Mengen in der Verpackung und/oder der Bauindustrie zum Einsatz kommen. Die restlichen 100 kg verteilen sich auf rund 100 Kunststoffsorten mit entsprechend kleinen Mengen. Die grössten Arten aus diesem Bereich Mengen gehören der Materialfamilie der Polyamide (u.a. PA, PA6, PA66 mit ca. 15%) und der Styrolpolymere (u.a. ABS, ASA, SAN mit ca. 14 %) an. (Quelle: TecPart)

7. Fahrzeuge als langlebige Produkte: Konsequenzen für die Kreislaufwirtschaft

Die Entwicklung und Erprobung von hochwertigen, europäischen Fahrzeugen dauert bis zur Typzulassung ca. fünf Jahre. Üblicherweise dauert die vorgeschaltete Materialqualifizierung beispielsweise für langwierige Bewitterungsversuche, weitere zwei Jahre. Dies führt zu einen Konzeptionsvorlauf der Automobil-, mittelständigen Zulieferindustrie sowie der Recyclingindustrie von mindestens 5 Jahren voraus. Nach der Erstzulassung eines Fahrzeugs ist dieses durchschnittlich ca. 15 - 20 Jahre im Gebrauch. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Fahrzeuge, die im Jahr 2030 zurückkommen werden, ca. 2005 entwickelt und ab 2010 in den Verkehr gebracht wurden, mit Materialien, die teilweise der dann gültigen Chemikaliengesetzgebung nicht mehr entsprechen. Auch die Demontierbarkeit von Bauteilen wurde seinerzeit zu wenig berücksichtigt. Heutige Entwicklungen berücksichtigen im hohen Masse die Kreislaufwirtschaft, die Demontierbarkeit und den Einsatz von Sekundärmaterialien. Auch wird zukünftig dem Leichtbau und damit der Energieeffizienz durch einen Kunststoffeinsatz von rund 400 kg Rechnung getragen. Diese Fahrzeuge werden in hochlaufenden Mengen ab 2040 in der Verwertung erwartet. Mit steigender Elektrifizierung der Fahrzeuge wird der Anteil flammgeschützer Kunststoffe zunehmen. Deren Recyclingfähigkeit ist derzeit nur sehr eingeschränkt möglich, künftig jedoch über weiterentwickelte mechanische und chemische Recyclingverfahren künftig abbildbar. Die Rücklaufquote in Europa der zur Verwertung vorgesehenen Fahrzeuge entspricht derzeit nur ca. 10% der Produktionsmenge, da die Fahrzeugindustrie und ihre Produkte noch sehr stark exportorientiert sind.

8. Unrealistische Rezyklateinsatzquoten

Die geplanten Rezyklatquoten für die unterschiedlichen Branchen treiben allein in Deutschland den Rezyklatbedarf auf 3,7 Mio. Tonnen. Bezogen auf das 2021 in Deutschland angefallene Post- Consumer-Abfallaufkommen von 5,44 Mio. Tonnen Kunststoffabfälle müsste sich die Verwertungsquote von 33 Prozent auf 68 Prozent verdoppeln. Diese Verwertungsquote gilt technologisch heute als ausserordentlich ambitioniert und wird ohne die Zuführung der Post- Industrial-Abfälle und der Nebenprodukte nicht zu erreichen sein. Ausserdem werden in verschiedenen anderen Anwendungsbereichen durch kommende Regulierung Rezyklateinsatzquoten vorgeschrieben, welche den Bedarf nochmals erhöhen. Namentlich im Bereich von Verpackungen (PPWR), von Bauprodukten (CPR) sowie bei allen anderen Produkten (ESPR).

9. Anträge und Empfehlungen

Der Entwurf einer europäischen Altfahrzeugverordnung sowie die regulative Flankierung der Bemühungen, bei der Transformation vom linearen zum zirkulären Wirtschaften von Altfahrzeugen wird von KUNSTSTOFF.swiss grundsätzlich begrüsst. Aufgrund der vorstehenden Ausführungen müssen aus unserer Sicht folgende Voraussetzungen erfüllt sein hinsichtlich der Erreichung der geforderten Rezyklateinsatzquoten (Art. 6):

  • Kunststoffe aus verschiedenen, gemischten Abfallströmen (open loop) müssen sortenrein getrennt werden können, um eine technologisch, ökologisch und ökonomisch ausreichende Menge für das Recycling aufbauen zu können.
  • Um die erforderlichen Mengen an Rezyklaten für die Automobilindustrie auch ausserhalb der Standardkunststoffe (PE, PP, PVC, PET) zu erhalten, ist es erforderlich, dass postindustrielle Abfälle, wie auch die Nebenprodukte grundsätzlich in die Rezyklatquote miteingehen.
  • Bei den technischen Kunststoffen sollte eine Rezyklatquote zunächst auf die Kunststoffe angewendet werden, die in grösserem Umfang verarbeitet werden. Dies sind PA, PA6, PA66, PC, PC/ABS und ABS.
  • Rezyklate sollten herkunftsunabhängig den zu produzierenden Kunststoffprodukten (gleich welcher Branche) zur Verfügung stehen.
  • Für die Bestimmung aus Art. 3 (1) Abs. 2 sollen aufgrund der Laufzeit und der Langlebigkeit von Fahrzeugen entsprechende Übergangsbestimmungen eingeführt werden.
  • Die Verordnung muss Investitionssicherheit für Investitionen in der EU gewährleisten, um den Aufbau von erforderlichen Recyclingkapazitäten zu unterstützen.
  • Quoten dürfen nicht dazu führen, dass, wenn nicht genügend Rezyklate vorhanden sind, Produkte nicht produziert werden dürfen. Hierzu bedarf es Safety Net Bestimmungen analog der PPWR.
  • Rezyklate sollten spartenübergreifend eingesetzt werden können (open loop) und die Definition gemäss Richtlinie 2008/98/EG Art. 3 Ziff. 17 Anwendung finden.
  • Technologieoffenheit hinsichtlich der Recyclingverfahren, insbesondere Inklusion des chemischen Recyclings. Überdies sollten betriebswirtschaftliche Aspekte im Impact Assessment angemessen berücksichtigt werden, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie zu erhalten und zu stärken.

Wir bitten Sie um entsprechende Berücksichtigung unserer Anliegen.


Mit freundlichen Grüssen

KUNSTSTOFF.swiss – Verband der Schweizer Kunststoffindustrie

Riccardo Casanova
Geschäftsführer

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